Der Sinn der Run­den Tische

[3] “Mit­te des Jah­res 2000 fand auf Ein­la­dung des Treff­punkt Hilfs­be­reit­schaft ei­ne Grup­pe von über 130 ver­schie­de­nen Frei­wil­li­gen­or­ga­ni­sa­tio­nen in Ber­lin an­läß­lich des In­ter­na­tio­na­len Jah­res der Frei­wil­li­gen zu­sam­men. Ne­ben der Pla­nung und Ko­or­di­nie­rung ei­nes ge­mein­sa­men Ver­an­stal­tungs­pro­gram­mes war ein The­ma schon sehr deut­lich: „Wir wol­len For­de­run­gen an die Po­li­tik stel­len!“. Die­se For­de­run­gen, so wur­de bei ei­ner ers­ten gro­ßen Run­de mit über ein­hun­dert En­ga­gier­ten am 02.02.2001 deut­lich, wa­ren zum Teil schon an die 30 Jah­re alt, mit­hin nicht wirk­lich Neu­ig­kei­ten, son­dern Not­wen­dig­kei­ten für die Ent­ste­hung und Er­hal­tung von för­der­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen für frei­wil­lig und eh­ren­amt­lich En­ga­gier­te in Berlin.

Die da­ma­li­ge Staats­se­kre­tä­rin für So­zia­les, Frau Jun­ge-Rey­er, kam bei die­ser Auf­takt­ver­an­stal­tung zum In­ter­na­tio­na­len Jahr in Ber­lin ei­ner ers­ten For­de­rung un­mit­tel­bar und mit In­ter­es­se nach. Sie er­mög­lich­te im Rah­men ei­ner För­de­rung die Ent­wick­lung der von uns vor­ge­schla­ge­nen „Run­den Ti­sche“ für das lau­fen­de Jahr. Ziel soll­te sein, die ver­schie­de­nen For­de­run­gen und of­fe­nen Fra­ge­stel­lun­gen zur Un­ter­stüt­zung Frei­wil­li­gen En­ga­ge­ments in Ber­lin mit Fach­leu­ten aus der Pra­xis, Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­tern aus dem Ber­li­ner Ab­ge­ord­ne­ten­haus und der Se­nats­ver­wal­tung für So­zia­les fach­lich und in­halt­lich ver­tieft zu be­ar­bei­ten. Am En­de des Jah­res wur­de ei­ne Prü­fung und Be­wer­tung der Mach­bar­keit der her­aus­ge­ar­bei­te­ten Punk­te und Fak­to­ren un­ter­nom­men und die­se Er­geb­nis­se der „Voll­ver­samm­lung“ al­ler In­ter­es­sier­ten aus Pra­xis, Ver­wal­tung und Po­li­tik wie­der vorgestellt.

Die Ar­beit, die in die­sem ers­ten Jahr der Run­den Ti­sche von den über 80 be­tei­lig­ten Ex­per­tin­nen und Ex­per­ten ge­leis­tet wur­de, zeig­te kon­zen­trier­te, fach­kom­pe­ten­te und aus­sa­ge­kräf­ti­ge Er­geb­nis­se, wie sie von den Ak­ti­ven der Run­den Ti­sche al­lein so wahr­schein­lich nicht zu er­hal­ten ge­we­sen wä­ren. Ins­be­son­de­re fiel auf, dass die Zu­sam­men­ar­beit al­ler an ei­nem je­weils neu zu­sam­men­ge­stell­ten Run­den Tisch zu ge­gen­sei­ti­ger Wert­schät­zung und ei­ner part­ner­schaft­li­chen Re­de­kul­tur führ­te. Ein Spe­zi­fi­kum der Ber­li­ner Run­den Ti­sche ist in­so­fern be­reits jetzt, dass die be­tei­lig­ten Ab­ge­ord­ne­ten frei­wil­lig in ei­nem „Eh­ren­amt“ fun­gier­ten: sie wur­den zu je ei­nem der The­men­be­rei­che als „Pa­tin“ oder „Pa­te“ er­nannt. Die­se Funk­ti­on be­deu­te­te die Gast­ge­ber­schaft im Ber­li­ner Ab­ge­ord­ne­ten­haus, so dass die Ar­beit der Run­den Ti­sche un­mit­tel­bar ne­ben den Stät­ten der Ber­li­ner Po­li­tik­ar­beit an­ge­sie­delt war. Die­ses Kul­tur­ele­ment aus der in­ter­na­tio­na­len Frei­wil­li­gen­ar­beit hat da­zu bei­getra­gen, dass im Lau­fe der letz­ten zwei Jah­re der Ar­beit der Run­den Ti­sche ein be­son­de­rer Stel­len­wert im Auf­ga­ben- und Po­li­tik-Be­reich bür­ger­schaft­li­chen En­ga­ge­ments bei­gemes­sen wurde.

Im Jahr 2002 konn­te die Ar­beit der Run­den Ti­sche für wei­te­re vier The­men mit Un­ter­stüt­zung der Se­nats­ver­wal­tung für So­zia­les fort­ge­setzt werden. […]

[5] Die Run­den Ti­sche des Jah­res 2002 wa­ren von An­fang an mit noch mehr Auf­merk­sam­keit von Sei­ten der En­ga­gier­ten, ih­rer Ver­ei­ne, Ver­bän­de und In­itia­ti­ven be­dacht. Aber auch das Echo aus den Rei­hen der Ab­ge­ord­ne­ten al­ler im Ber­li­ner Par­la­ment ver­tre­te­nen Frak­tio­nen stell­te sich von An­fang an auf ei­nem sehr ho­hen Ni­veau ein: bei den vier Ver­an­stal­tun­gen der Run­den Ti­sche wa­ren je­weils fast al­le Pa­tin­nen und Pa­ten ver­tre­ten, d.h. auch die der je­weils an­de­ren Run­den Ti­sche, so dass am Jah­res­en­de auch in­ter­frak­tio­nell ein sehr in­ten­si­ver und för­der­li­cher Aus­tausch fest zu stell­len war. Die­se Wei­ter­ent­wick­lun­gen der Run­den Ti­sche führ­ten schließ­lich da­zu, dass sie in ver­schie­de­nen Aus­schüs­sen des Ab­ge­ord­ne­ten­hau­ses (Aus­schuss für Ge­sund­heit, So­zia­les und Mi­gra­ti­on, Aus­schuss für In­ne­res) er­wähnt und im Rah­men ei­ner An­hö­rung als Lern­ort the­ma­ti­siert wurden.

Die Run­den Ti­sche zur För­de­rung des Frei­wil­li­gen En­ga­ge­ments in Ber­lin stel­len kein Gre­mi­um dar, son­dern sind ei­ne mo­der­ne de­mo­kra­ti­sche Form ei­nes neu­en Bür­ger-Po­li­ti­ker-Dia­lo­ges und da­mit ein In­stru­ment für ei­ne le­ben­di­ge, ver­netz­te Bür­ger­ge­sell­schaft. Sie wir­ken – wie be­ab­sich­tigt – ka­thar­tisch auf die mit­un­ter brach lie­gen­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kul­tur zwi­schen den ge­sell­schaft­li­chen Ak­teu­ren der Bür­ger­ge­sell­schaft: En­ga­gier­te, Frei­wil­li­gen­or­ga­ni­sa­tio­nen, Po­li­ti­ker, Ver­wal­tung und Wirt­schaft. Sie soll­ten in die­sem Sin­ne als ei­ne ers­te, vor­weg ge­nom­me­ne Kon­se­quenz aus den Emp­feh­lun­gen der En­quete-Kom­mis­si­on zur Zu­kunft des Bür­ger­schaft­li­chen En­ga­ge­ments ver­stan­den werden.

Die Run­den Ti­sche be­deu­ten auf der Ebe­ne der Lan­des­po­li­tik Ber­lins das Wahr­neh­men und Auf­grei­fen der Ko­ali­ti­ons­ver­ein­ba­run­gen der Re­gie­rungs­par­tei­en SPD und PDS aus dem Jahr 2001, in de­nen es heißt:

Das von der UNO de­kla­rier­te Jahr der Frei­wil­li­gen 2001 hat deut­lich ge­macht, mit wie viel Be­geis­te­rung Men­schen sich frei­wil­lig en­ga­gie­ren und eh­ren­amt­li­che Ar­beit leis­ten. Der Se­nat wird des­halb auch wei­ter­hin die­ses eh­ren­amt­li­che En­gag­ment nach Kräf­ten wei­ter för­dern und un­ter­stüt­zen. Die Er­geb­nis­se der En­quete-Kom­mis­si­on der Bun­des­re­gie­rung und die Er­fah­run­gen in Ber­lin im Jahr des Eh­ren­am­tes zum Bür­ger­schaft­li­chen En­ga­ge­ment wer­den zeit­nah be­wer­tet und ggf. um­ge­setzt. Da­zu er­stellt Ber­lin zur Mit­te der Le­gis­la­tur­pe­ri­ode ei­nen Eh­ren­amts­be­richt. Bür­ger­schaft­li­ches En­ga­ge­ment braucht Rah­men­be­din­gun­gen und ei­ne In­fra­struk­tur, um sich ent­fal­ten zu kön­nen. Der Se­nat wird des­halb al­le Be­mü­hun­gen un­ter­stüt­zen, die in die­sem Jahr be­gon­ne­nen Maß­nah­men und In­itia­ti­ven in den nächs­ten Jah­ren fort­zu­füh­ren. Ber­li­ner Un­ter­neh­mer sind auf­ge­for­dert, die Be­reit­schaft ih­rer Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter zu bür­ger­schaft­li­chem En­ga­ge­ment zu er­hö­hen.“ [Ko­ali­ti­ons­ver­ein­ba­run­gen zwi­schen SPD und PDS 2001 – 2006, Stand 7.1.02, 18:00 Uhr, 67 (14. So­zia­les)]

Der par­al­lel zu den Run­den Ti­schen ar­bei­ten­de Ar­beits­kreis Frei­wil­li­ges En­ga­ge­ment in Ber­lin (AK FEB) hat sich in Ab­stim­mung mit der Se­nats­ver­wal­tung für So­zia­les am 14. 05.2002 auf die fach­lich-in­halt­li­che Be­glei­tung der Be­richts­le­gung zum oben er­wähn­ten Eh­ren­amts­be­richt ver­stän­digt. In ei­ner wei­te­ren Sit­zung am 22.01.2003 konn­te zu die­sem Zweck be­reits ei­ne ers­te ge­mein­sa­me Sit­zung zwi­schen Se­nats­ver­wal­tung und AK FEB im zwei­ten Quar­tal 2003 an­vi­siert werden.

[6] Der be­stehen­de ers­te Teil des „Eh­ren­amts­be­richts“ [Ab­ge­ord­ne­ten­haus von Ber­lin, Druck­sa­che 15/​247: Bür­ger­ge­sell­schaft stär­ken – frei­wil­li­ges En­ga­ge­ment un­ter­stüt­zen] spie­gelt gleich­falls ei­ne Fül­le der For­de­run­gen und Er­kennt­nis­se der Run­den Ti­sche wi­der, eben­so wie die im In­ter­na­tio­na­len Jahr der Frei­wil­li­gen ent­fal­te­ten Ak­ti­vi­tä­ten und Kam­pa­gnen [„Ber­li­ner-Frei­wil­li­gen-Tag“: Do­ku­men­ta­tio­nen zum Ers­ten (2001) und Zwei­ten Ber­li­ner-Frei­wil­li­gen-Tag (2002)].

Es bleibt ins­ge­samt fest­zu­stel­len, dass nicht nur das Ber­li­ner Par­la­ment, die ver­schie­de­nen Se­nats­stel­len, viel­fäl­ti­ge Frei­wil­li­gen­or­ga­ni­sa­tio­nen, son­dern auch Ver­tre­ter der en­ga­gier­ten Ber­li­ner Wirt­schaft durch die Run­den Ti­sche zu ei­ner neu­en Form des Aus­tau­sches und der Zu­sam­men­ar­beit ge­fun­den haben.”

Quel­le: Treff­punkt Hilfs­be­reit­schaft. Die Ber­li­ner Frei­wil­li­genagen­tur (Hrsg.), 2003: Do­ku­men­ta­ti­on der Run­den Ti­sche zur För­de­rung des Frei­wil­li­gen En­ga­ge­ments in Ber­lin 2002. Ber­lin, 4–6