Netzwerke: Zukunftsagenten funktionierender Demokratie & lebendiger Zivilgesellschaft

Thomas Olk

Prof. Dr. Tho­mas Olk

Bür­ger­schaft­li­ches En­ga­ge­ment braucht ei­ne gu­te In­fra­struk­tur im Sin­ne ver­läss­li­cher Rah­men­bedingungen. Da­zu ge­hö­ren Ver­ei­ne und Ver­bän­de ge­nau­so wie Frei­wil­li­gen­agen­tu­ren, Se­nio­ren­bü­ros, Selbst­hil­fe­kon­takt­stel­len, Mehr­ge­ne­ra­tionenhäuser und eben – Netzwerke!

Und auf sol­che Netz­wer­ke als Zu­kunfts­agen­ten, die­sen das Bun­des­netz­werk Bür­ger­schaft­li­ches En­ga­ge­ment (BBE) seit sei­ner Grün­dung 2001 im­mer ein­deu­ti­ger prä­gen­den Grund­ge­dan­ken sei­nes Ein­sat­zes für ein bes­se­res Mit­ein­an­der von Wirt­schaft, Zi­vil­ge­sell­schaft und Staat, da­r­auf ging des­sen Spre­cher­rats­vor­sit­zen­der Prof. Dr. Tho­mas Olk zur Er­öff­nung↵ der dies­jäh­ri­gen 10. Wo­che des bür­ger­schaft­li­chen En­ga­ge­ments aus dem ge­ge­be­nen An­laß grund­sätz­licher ein:

Je län­ger wir un­ser Ge­schäft ei­ner bun­des­wei­ten Ver­net­zung von Or­ga­ni­sa­tio­nen aus Bür­ger­ge­sell­schaft, Staat und Wirt­schaft ver­rich­ten, des­to kla­rer wird uns, wie wich­tig der Netz­werk­ge­dan­ke ei­gent­lich ist. Netz­wer­ke sind die Zu­kunfts­a­gen­ten ei­ner funk­tio­nie­ren­den De­mo­kra­tie und ei­ner le­ben­di­gen Zi­vil­ge­sell­schaft. De­mo­kra­tie wird zu­künf­tig im­mer we­niger als Top-Down-Ver­an­stal­tung nach dem Mot­to „Wählt uns al­le vier Jah­re und schaut dann zu!“ funktionieren.

Die De­mo­kra­tie der Zu­kunft ist ei­ne as­so­zia­ti­ve De­mo­kra­tie, und ich freue mich hier be­son­ders über den Dop­pel­sinn des Wor­tes „as­so­zia­tiv“. In ihm steckt nicht nur das Krea­ti­ve, Spon­ta­ne, Im­pul­si­ve, das De­mo­kra­tie im­mer braucht, um le­bendig zu blei­ben. Mit „as­so­zia­tiv“ wird eben­so zum Aus­druck ge­bracht, dass ei­ne le­ben­di­ge De­mo­kra­tie nur als „Mit­mach­ver­an­stal­tung“ sinn­voll ist – ei­ne Ver­an­stal­tung, an der sich mög­lichst vie­le ge­sell­schaft­li­che As­so­zia­tio­nen beteiligen.

Netz­wer­ke ha­ben in die­sem Zu­sam­men­hang zwei wich­ti­ge Auf­ga­ben: Hier wer­den zum ei­nen ge­sell­schaft­li­che Aus­hand­lungs­pro­zes­se an­ge­scho­ben und fort­ge­führt, zum an­de­ren sind sie der Ort, an dem in­no­va­ti­ve Ideen und Pro­jek­te ge­mein­sam ent­wi­ckelt und um­ge­setzt wer­den. Netz­wer­ke sind da­her im­mer auch Lern­netz­wer­ke. In Netz­wer­ken schlie­ßen sich gro­ße und klei­ne, res­sour­cen­star­ke und res­sour­cen­schwa­che Or­ga­ni­sa­tio­nen auf frei­wil­li­ger Ba­sis zu­sam­men, weil sie auf die­se Wei­se An­lie­gen um­set­zen kön­nen, die sie al­lei­ne nicht (so gut) er­le­di­gen könnten.

Gleich­zei­tig ent­ste­hen auf die­se Wei­se Brü­cken zwi­schen ge­sell­schaft­li­chen Be­rei­chen – vor al­lem auch zwi­schen Staat, Markt und Zi­vil­ge­sell­schaft. Für das Wohl­erge­hen der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger wer­den die­se Brü­cken im­mer be­deut­sa­mer. Denn Wohl­fahrt wird in der frei­heit­li­chen und plu­ra­lis­ti­schen Ge­sell­schaft nicht von ei­ner zen­tra­len In­sti­tu­ti­on – z. B. dem Staat –, son­dern viel­mehr von vie­len Ak­teu­ren und Ak­teurs­grup­pen – auch aus Markt und Zi­vil­ge­sell­schaft – ge­mein­sam „pro­du­ziert“.

Die­se sehr sinn­vol­le Auf­ga­ben­tei­lung muss aber im­mer wie­der neu aus­ta­riert und de­fi­niert wer­den. Ge­nau da­für sind Netz­wer­ke der rich­ti­ge Ort. Netz­wer­ke er­mög­li­chen Dis­kur­se über die best­mög­li­che Aus­ge­stal­tung un­se­rer so­li­da­ri­schen Wohlfahrtgesellschaft.

Wenn man den Netz­werk­ge­dan­ken so ver­steht, wird auch deut­lich, was das BBE ist: Das Bun­des­netz­werk ist so­wohl ei­ne Wis­sens- und Kom­pe­tenz­platt­form, die Fach­wis­sen rund um die Zi­vil­ge­sell­schaft und das bür­ger­schaft­li­che En­ga­ge­ment sam­melt und bün­delt, als auch ei­ne Platt­form für Sek­tor über­grei­fen­des Ler­nen und Ex­pe­rimentieren, auf der Ak­teu­re aus un­ter­schied­li­chen Be­rei­chen der Ge­sell­schaft mit­ein­an­der in­no­va­ti­ve Ideen ent­wi­ckeln und ge­mein­sa­me Pro­jek­te auf den Weg bringen.

Wenn wir von Netz­wer­ken re­den, spre­chen wir zu­gleich von Go­ver­nan­ce. Der Er­folg des Kon­zepts der Go­ver­nan­ce, könn­te man ver­ein­fa­chend sa­gen, ist ei­ne Fol­ge der Ein­sicht in den Sach­ver­halt, dass das Zu­sam­men­wir­ken un­ter­schied­li­cher Ak­teurs­grup­pen in der mo­der­nen Ge­sell­schaft im­mer we­ni­ger als hier­ar­chi­sche Steue­rung und im­mer mehr als ein Pro­zess der Ab­stim­mung auf Au­gen­hö­he ge­lin­gen wird.

Da­für gibt es heu­te schon vie­le Bei­spie­le nicht nur in Deutsch­land. Gu­te Bei­spie­le aus Mit­glied­staa­ten der Eu­ro­päi­schen Uni­on ma­chen deut­lich: Mehr En­ga­ge­ment für das Ge­mein­we­sen und mehr Bür­ger­be­tei­li­gung sind mög­lich, wenn es da­für ge­eig­ne­te Be­din­gun­gen gibt. Da­zu ge­hö­ren vor al­lem trans­pa­ren­te und kla­re Re­geln der Ko­ope­ra­ti­on zwi­schen den Sek­to­ren Staat, Wirt­schaft und Zi­vil­ge­sell­schaft. In vie­len Län­dern gibt es sol­che Re­gel­wer­ke in Form von so ge­nann­ten „Com­pacts“, und es wä­re nicht nur ei­ne Über­le­gung wert, ein sol­ches Rah­men­kon­zept auch für Deutsch­land zu ent­wi­ckeln. An uns soll es je­den­falls nicht scheitern!

Die ge­sam­te Re­de le­sen: BBE-Spre­cher­rats­vor­sit­zen­der Prof. Dr. Tho­mas Olk er­öff­net die 10. Wo­che des bür­ger­schaft­li­chen En­ga­ge­ments. – und zum Be­richt über die Auf­takt­ver­an­stal­tung: www​.en​ga​ge​ment​-macht​-stark​.de↵.

Fo­to: Ca­ro­la Schaaf-Derichs