Zi­vil­ge­sell­schaft stär­ken heißt Eh­ren­amts­ko­or­di­na­ti­on sys­te­ma­tisch fördern

Ers­ter Run­der Tisch Zi​vil​ge​sell​schaft​.Ber​lin 2017,
no­tiert und auf den Punkt gebracht

von Ca­ro­la Schaaf-Derichs

Erster Runder Tisch 2017

Über 100 In­ter­es­sier­te ka­men am 5. Ju­li 2017 zum ers­ten Run­den Tisch Zi​vil​ge​sell​schaft​.Ber​lin ins Char­lot­ten­bur­ger Rat­haus. Das The­ma: Eh­ren­amts­ko­or­di­na­ti­on stär­ken: Im Be­reich des En­ga­ge­ments für Ge­flüch­te­te und mehr. Er­fah­run­gen, Ent­wick­lungs­an­for­de­run­gen und Zie­le brann­te of­fen­bar auf den Nä­geln. Die Teil­neh­men­den ka­men aus Un­ter­künf­ten für Ge­flüch­te­te, aus Ver­bän­den und Ver­ei­nen, als Mit­glie­der des Lan­des­netz­werk Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin, von Se­nats­stel­len und als In­ter­es­sier­te, als Neugegründer_​innen von Un­ter­neh­men und Stiftungen.

Sie be­scher­ten da­mit dem in Ber­lins En­ga­ge­ment­land­schaft lang ein­ge­führ­tem Dis­kurs-In­stru­ment der Run­den Ti­sche ei­nen be­ein­dru­cken­den Teil­nah­me-Re­kord in mehr als 16 Jah­ren. Und sie brach­ten die Bri­sanz die­ses The­mas für den Schirm­herrn Alex­an­der Fi­scher, Staats­se­kre­tär für Ar­beit und So­zia­les, un­miss­ver­ständ­lich und in le­ben­di­ger De­bat­te zum Ausdruck.

Eh­ren­amts­ko­or­di­na­ti­on in Ein­rich­tun­gen: ei­ne her­aus- und bis­wei­len über­for­dern­de Aufgabe

Ge­gen­über der im­mer noch her­aus- bis über­for­dern­den Her­ku­les-Auf­ga­be für Haupt- und Eh­ren­amt­li­che, für die vie­len Ge­flüch­te­ten in den Un­ter­künf­ten Ber­lins men­schen­wür­di­ge, un­ter­stüt­zen­de und in­te­gra­ti­ve Le­bens­um­stän­de her­zu­stel­len, wur­de in den Bei­trä­gen der Ehrenamtskoordinator_​innen ei­ne er­staun­lich kon­struk­tiv-kri­ti­sche Hal­tung ver­mit­telt. Fried­rich Graf, in der Fach­auf­sicht Eh­ren­amts­ko­or­di­na­ti­on TAMAJA GmbH tä­tig, zeich­ne­te ein scharf kon­tu­rier­tes Bild: hier die im­mer noch in­ten­siv und un­mit­tel­bar ak­ti­ven Eh­ren­amt­li­chen, für ihn die Säu­le der In­te­gra­ti­on, da die Be­trei­ber der Un­ter­künf­te, zu Glo­bal­ver­ant­wor­tung und pro­fes­sio­nel­len Ab­läu­fen ver­pflich­tet. Da­zwi­schen die Ehrenamtskoordinator_​innen in ei­ner „Schar­nier­funk­ti­on“ mit vie­len Spannungsfeldern.

Auch die Schwach­stel­len, die Män­gel im Sys­tem griff Graf als Bau­stel­len auf: Zahl­rei­che Kon­flik­te zwi­schen den Be­trei­bern, die den „Kopf“ der Or­ga­ni­sa­ti­on und der Ar­beits­pro­zes­se aus­ma­chen, ge­gen­über dem un­bü­ro­kra­ti­schen, al­tru­is­ti­schen und mit den Not­la­gen der Ge­flüch­te­ten kon­fron­tier­ten Eh­ren­amt­li­chen als „Herz“. Auch bei den Zie­len der In­te­gra­ti­on ge­hen die Sicht­wei­sen stark aus­ein­an­der und gip­feln in der Fra­ge: was ist hier „Hil­fe“? Was heißt „Em­power­ment“ aus der je­wei­li­gen Per­spek­ti­ve? In all die­sen Si­tua­tio­nen, so Graf, ha­be sich die Eh­ren­amts­ko­or­di­na­ti­on be­reits sehr be­währt und sie wer­de von den Eh­ren­amt­li­chen auch als not­wen­dig er­kannt, ja selbst ver­sucht. Das Pro­jekt Be­ra­tungs­fo­rum En­ga­ge­ment für Ge­flüch­te­te be­zeich­ne­te er als sehr hilf­reich und unterstützend.

Aus die­ser Er­fah­run­gen ent­stün­den für ihn die fol­gen­den An­for­de­run­gen an ei­ne gu­te Ehrenamtskoordination:
– Mit Eh­ren­amt­li­chen im­mer als ei­gen­stän­di­ge Per­so­nen ver­ant­wor­tungs­voll umzugehen
– Gu­te Rah­men­be­din­gun­gen für sie zu de­fi­nie­ren und zu stär­ken (Link zur Liste)
– Mehr Zeit für die ein­zel­nen Ehrenamtskoordinator_​innen. Bes­ser als ein Schlüs­sel von 1 Ehrenamtskoordinator_​in zu 500 Bewohner_​innen sei es, die Min­dest­zahl für Ehrenamtskoordinator_​innen zu reduzieren
– Ehrenamtskoordinator_​innen be­nö­tig­ten Stabs­stel­len, soll­ten von an­de­ren Funk­tio­nen wie der So­zi­al­ar­beit klar ab­ge­grenzt wer­den, da­her sei ei­ne Stel­len­be­schrei­bung zwin­gend nö­tig, nicht zu­letzt auch ei­ne an­ge­mes­se­ne Eingruppierung.
– Schließ­lich soll­ten Ehrenamtskoordinator_​innen auch in an­de­re Auf­ga­ben­be­rei­che trans­fe­riert und Teil der Be­rufs­land­schaft werden.

Er­fah­run­gen und Fra­gen nach ei­nem hal­ben Jahr Be­glei­tung von Ehrenamtskoordinator_innen

Das „Be­ra­tungs­fo­rum En­ga­ge­ment für Ge­flüch­te­te“, Pro­jekt der Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur Ber­lin und ver­tre­ten mit der Pro­jekt­lei­te­rin Eva-Ma­ria Scheel so­wie den vier Regionalkoordinator_​innen, stell­te fol­gen­de Er­fah­run­gen und Fra­gen aus dem ers­ten hal­ben Jahr ih­rer Be­glei­tung der Ehrenamtskoordinator_​innen zur Debatte:
– Kath­rin Duff­ner be­schrieb die Ehrenamtskoordinator_​innen ak­tu­ell als Struk­tur­ge­ben­de und „Brü­cken­bau­en­de“ zwi­schen Eh­ren­amt­li­chen, Un­ter­künf­ten und Nach­bar­schaf­ten in ei­nem schnell ope­rie­ren­den Feld.
– Gri­scha Schwiegk wies auf die Stär­kung der Ehrenamtskoordinator_​innen durch die Fest­schrei­bung in den Be­trei­ber­ver­trä­gen hin, auf ih­ren Be­darf nach Netz­wer­ken und Wei­ter­bil­dung, so­wie nach­hal­ti­ger Ausstattung.
– Sa­bi­ne Strauch mahn­te die Schwä­chung der Ehrenamtskoordinator_​innen durch schwie­ri­ge Rah­men­be­din­gun­gen, feh­len­des Rol­len­be­wusst­sein auch für Eh­ren­amt­li­chen und das un­über­sicht­li­che Ar­beits­feld an.
– Lu­kas Hei­mes er­war­tet für die Ehrenamtskoordinator_​innen in der Zu­kunft mehr Be­deu­tung, Eta­blie­rung und Vor­tei­le durch ei­ne En­ga­ge­ment-Stra­te­gie, wie im Ko­ali­ti­ons­ver­trag in Ber­lin vorgesehen. 

Ehrenamtskoordinator_​innen als Brü­cken­bau­en­de beim Wan­del vom Will­kom­men zur Inklusion

Dem Schirm­herrn der dies­jäh­ri­gen Run­den Ti­sche, Staats­se­kre­tär Fi­scher, ob­lag es, an den be­reits vor­ge­stell­ten Aspek­ten an­zu­knüp­fen und zu­gleich zur Per­spek­ti­ve bei­zu­tra­gen. Er lob­te die­sen Dis­kurs­bei­trag durch die be­währ­ten „Run­den Ti­sche Zi​vil​ge​sell​schaft​.Ber​lin“ und sah sich in der bis­he­ri­gen In­stal­la­ti­on der Ehrenamtskoordinator_​innen be­stä­tigt. Nun ge­he es um die Ver­ste­ti­gung und die De­fi­ni­ti­on der Rah­men­be­din­gun­gen. Auch er nutz­te das Bild der Ehrenamtskoordinator_​innen als „Brü­cken­bau­en­de“, die den ak­tu­el­len Wan­del von der Will­kom­mens­kul­tur zur In­klu­si­on der Ge­flüch­te­ten am bes­ten be­glei­ten könn­ten. Er be­ton­te zu­gleich die Ver­pflich­tung des ge­sam­ten Se­na­tes für die Be­ant­wor­tung der nun an­ste­hen­den Fragen.

Fra­gen gab es reichlich

Fra­gen gab es reich­lich aus der gro­ßen Run­de, nur die­se sei­en genannt:
– Wie kön­nen Struk­tur­pro­ble­me wie z.B. bei der Woh­nungs­su­che pro­fes­sio­nell ge­löst werden?
– Wie kön­nen Will­kom­mens­bünd­nis­se ge­stärkt, wo­mög­lich „pro­fes­sio­na­li­siert“ werden?
– Wie kann die Rol­le der Be­zir­ke ge­stärkt wer­den, so dass die „Re­gel­ver­sor­gung“ von ver­läss­li­chen und trans­pa­ren­ten Struk­tu­ren ge­tra­gen werden?
– Wie kann die Schnitt­stel­le zwi­schen Eh­ren- und Haupt­amt­li­chen ge­klärt und Eh­ren­amt­li­che vor Frus­tra­ti­on ge­schützt wer­den in ih­rem Ein­satz für Geflüchtete?

Stär­kung staat­li­cher Stel­len wie der Stadt­ge­sell­schaft bleibt Hauptaufgabe

Ei­nig­keit herrsch­te bei der zen­tra­len For­de­rung, dass die staat­li­chen Struk­tu­ren auf die Ge­flüch­te­ten nachhaltig(er) ent­wi­ckelt und vor­be­rei­tet wer­den müs­sen: Bei nach wie vor 700 Ge­flüch­te­ten, die pro Mo­nat Ber­lin er­rei­chen, das be­kräf­tig­te Staats­se­kre­tär Fi­scher zum Ab­schluss, sei es die Haupt­auf­ga­be für Ge­gen­wart und Zu­kunft, die staat­li­chen Stel­len und die Stadt­ge­sell­schaft zu stär­ken. Der Se­nat wol­le für den Aus­bau sei­ner Struk­tu­ren sor­gen. Die Zi­vil­ge­sell­schaft leis­te nach wie vor gro­ße Hil­fe und sol­le un­be­dingt un­ter­stützt wer­den, wie durch das Pro­jekt Be­ra­tungs­fo­rum En­ga­ge­ment für Ge­flüch­te­te, Qua­li­fi­zie­runga­an­ge­bo­te und wei­te­re Vorhaben.

Run­de Ti­sche Zi​vil​ge​sell​schaft​.Ber​lin | Run­de Ti­sche 2017 | Be­richt 1. Run­der Tisch
Re­dak­ti­on jor.
15.08.2017 ak­tua­li­siert 12.09.2017