Wenn nicht jetzt wann dann: Es ist Zeit für Aufbruch! Carola Schaaf-Derichs kommentiert

Kri­sen­zei­ten be­wir­ken im­mer wie­der ja­nus­köp­fi­ge Per­spek­ti­ven: Was wur­de ver­lo­ren, was ging un­ter, Coronazeitwen ver­mis­sen wir? Von be­ruf­lich wie eh­ren­amt­lich Be­trof­fe­nen der Co­ro­na­kri­se ist hier ei­ne durch­aus ein­schnei­den­de, schmer­zen­de Bi­lanz und ih­re Wun­den zu er­fah­ren. Das gilt für Men­schen wie für In­sti­tu­tio­nen: für all die im Ge­sund­heits- wie Ret­tungs­we­sen hoch­enga­giert in tra­gen­der Ver­ant­wor­tung Ak­ti­ven ge­nau­so wie die vie­len frei­wil­lig und eh­ren­amt­lich Tä­ti­gen un­se­res Ge­mein­we­sens, aber nicht nur sie.

An­de­rer­seits ha­ben er­staun­lich vie­le Men­schen zu neu­em Wa­ge­mut, zu per­sön­li­chem Ver­än­de­rungs­wil­len, zu mehr Selbst­ver­trau­en und auch Zu­trau­en in die Ge­samt­ge­sell­schaft, ja zu Hilfs­be­reit­schaft und Fair­ness­emp­fin­den in die­sem Ver­hält­nis ge­fun­den. Es sind SOEPmehr denn vor der Kri­se, wie neue Da­ten zei­gen. Dies ist das Er­geb­nis des so­zio­öko­no­mi­schen Pa­nels1, vor­ge­stellt von Prof. Dr. Ste­fan Lie­big2 im In­ter­view mit DIE ZEIT3, und es sind er­staun­li­che Zah­len: so stieg das Ver­trau­en in an­de­re in die­ser jähr­li­chen Be­fra­gung von 68% vor der Pan­de­mie auf 78 % im Ja­nu­ar 2021.

Die­ser Som­mer: Zeit zum Auf­at­men, Kraft­schöp­fen – und ein Zeit­fens­ter für drin­gen­de neue Verabredungen …

Als Er­klä­rung weist er auf das Zu­sam­men­rü­cken der Men­schen hin, was mehr sei als die Pan­de­mie als Not zu er­le­ben. Al­ler­dings sind die Wer­te auch ab­hän­gig vom Le­bens­al­ter der Be­frag­ten, so Lie­big: bei den Jün­ge­ren sei das Ver­trau­en in an­de­re stark ge­sun­ken. Sie emp­fän­den sich als die dop­pel­ten Ver­lie­rer der Kri­se, da sie zu­letzt für die schüt­zen­den Imp­fun­gen be­rück­sich­tigt wer­den aber zu­erst die meis­ten Ver­zich­te und Ver­lus­te in Schu­le, Be­rufs­bil­dung, Stu­di­um und in der so­zi­al so wich­ti­gen Frei­zeit aus­zu­hal­ten hat­ten. Die Ge­samt­bi­lanz ist al­so tief ge­spal­ten. Und so­mit auch die Er­fah­rungs­wel­ten der Einzelnen.

Ak­tu­ell stellt sich da­her die Fra­ge: ste­hen wir per­spek­ti­visch be­reits nach dem „Peak“ der Pan­de­mie, so­mit in ei­ner „Er­ho­lungs-Pha­se“? Kön­nen wir so be­trach­tet die Chan­ce mo­men­tan am meis­ten nut­zen, Din­ge bes­ser zu ma­chen, aus den Kri­sen­zei­ten und ‑er­fah­run­gen zu ler­nen? Selbst wenn noch nicht, so scheint doch ge­ra­de die­ser Som­mer ei­ne Zeit des in­ne­ren Auf­at­mens und des Kraft Schöp­fens, ja ein Zeit­fens­ter für die drin­gen­den neu­en Ver­ab­re­dun­gen und „Lear­nings“ zu sein. Wir soll­ten es nutzen!

Mit­glie­der­ver­samm­lung des Lan­des­netz­werks for­dert in ei­nem Ber­li­ner Ap­pell mehr Vereinbarungstreue

Das hat das Lan­des­netz­werk Bür­ger­en­ga­ge­ment Ber­lin in sei­ner 57. Mit­glie­der­ver­samm­lung am 16.06.20214 ge­tan, in­dem es die vom Sprecher:innenrat vor­ge­leg­ten “TOP 5”, al­so die fünf Schwer­punkt­the­men für sei­ne sieb­te Le­gis­la­tur ver­ab­schie­det hat:

Landesnetzwerk➔ En­ga­ge­ment­po­li­tik, Par­ti­zi­pa­ti­on bei Um­set­zung der Ber­li­ner En­ga­ge­ment­stra­te­gie 2020 – 2025
➔ In­klu­si­ve Gesellschaft!
➔ Struk­tu­rel­le Fol­gen der Co­ro­na-Pan­de­mie aufarbeiten
➔ Fach­kreis Zi­vil­ge­sell­schafts­for­schung, Ko­ope­ra­ti­on mit Hochschulen
➔ Netz­werk­ent­wick­lung mit Wir­kung für die Mit­glie­der, Lob­by­ar­beit, ak­ti­ve Beteiligung.

Spre­cher­rat Da­ni­el Bü­chel sag­te ein­lei­tend: „Nach dem So­zio­lo­gen Heinz Bu­de ´müs­sen wir zu­rück­keh­ren zu ei­nem Zu­stand, in dem wir noch nie wa­ren´5. Weg von ei­ner Not­fall­wirk­lich­keit (Hol­ger Krim­mer6) hin zu ei­ner neu­en Form der Nor­ma­li­tät zwi­schen Staats­be­dürf­tig­keit und Staatsskepsis.“

Die MV be­kräf­tig­te vor al­lem ih­ren Wunsch nach mehr Strin­genz in der Um­set­zung der Ver­ein­ba­run­gen, ins­be­son­de­re der En­ga­ge­ment­stra­te­gie. Sie be­schloss ei­nen “Ber­li­ner Ap­pell“7, der die staat­li­chen Akteur:innen an die­se Ver­ein­ba­run­gen im Sin­ne gu­ten Re­gie­rens drin­gend er­in­nern möge.

Denn wenn nicht jetzt wann dann: Es ist Zeit für Aufbruch!

Edi­to­ri­al von Ca­ro­la Schaaf-De­richs im
News­let­ter #8 der Lan­des­frei­wil­li­genagen­tur Berlin

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ak­tua­li­siert 27.06.2021